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Gesünder mit dem Golden-Age-Syndrom

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Erinnerungen gehören mittels Vintage-Filter des wishful thinking optimiert. Das menschliche Gedächtnis dient nur dem Jetzt, und was wäre da konstruktiver als positiv gefärbte Erinnerungen, die selbstgemachtes Glück schenken? Je schlechter die Gegenwart performt, umso besser der Relaunch der Vergangenheit.

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Ich selbst bin qua Nachbearbeitung meiner Vita ein Sternekoch der Premiumsprache. Sogar die ganze Geschichte wird im Perfekt perfekt: Alles ist super gewesen! Goldige Menschen, Begünstigte des Golden-Age-Syndroms, mögen sogar die 1980er – eine Dekade, die sich für Außenstehende als Prügelstrafe für Augen und Ohren darstellt. Und vielleicht gab es im zweiten Weltkrieg tatsächlich nur einen Täter? Da hätte einem auch niemand einreden müssen, dass Hitler ein Nazi war.

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Skeptizierende mögen nun einräumen, dass trotz revolutionärer Umgestaltung der Vergangenheit die Gegenwart auf ihrem unguten Sein beharrt. Doch dient dies der Zukunftssicherung. Damit die nächste Generation etwas zum Schöndenken hat, welche Verschwendung wäre es dann, die sogenannte Realität zu gestalten, wenn sich post hoc noch alles richten lässt? In ein paar Jahrzehnten wird es jetzt ein Klima fürs Klima gegeben haben; Klimakollaps, Krankheit und Krieg werden im nachhinein verhindert worden sein. Im Tempus des Futur II lässt sich bereits heute sagen: Es wird schon gut gewesen sein! Selbst dieses Machwerk eines Texts.

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